Ratsfrau Eichwald betritt um 17.15 Uhr den Sitzungsraum. Es sind nun 27 Ratsmitglieder anwesend.

 

Bürgermeister Natemeyer erstattet den Verwaltungsbericht:

 

Ein außergewöhnliches Jahr 2022 gehe zu Ende und es wäre kaum überzeugend, es als „gutes Jahr“ zu bezeichnen. Es habe der Welt im Globalen wie auch der kommunalen Welt im Kleinen erneut große Herausforderungen gebracht, die wahrscheinlich die Corona-Pandemie noch in den Schatten stellen würden. Zum Teil habe es auch bestehende Herausforderungen einfach nur verschärft bzw. sie wie unter einem Brennglas vergrößert.

Er wolle heute die Gelegenheit nutzen um zurückzublicken und das Jahr 2022 aus Sicht der Gemeinde Bad Essen einzuordnen mit all den Herausforderungen, aber auch in Würdigung dessen, was geschafft worden sei.

 

Zu Beginn des Jahres sei zunächst noch die Corona-Pandemie das beherrschende Thema gewesen. Im ersten Quartal 2022 seien die bisher höchsten Infektionszahlen im gesamten Verlauf der Pandemie erreicht worden und als Folge hätte beispielsweise der Gemeinderat zum zweiten Mal in Folge auf die gewohnte zweitägige Haushaltsklausurtagung verzichten müssen. Die Lage habe sich dann ab dem 24. Februar dramatisch verändert. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und Luftangriffen auf die ukrainischen Städte und auf die Infrastruktur des Landes habe das Regime von Präsident Putin die Welt in Unordnung gebracht. Regierungen und die Bevölkerung in den europäischen Staaten hätten eine große Welle der Hilfsbereitschaft, von der Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte mit Waffen und Kampfsystemen, über die Spendenbereitschaft und humanitäre Hilfe bis hin nicht zuletzt zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen habe die Bandbreite der Hilfen gereicht. Innerhalb weniger Wochen seien auch in der Gemeinde Bad Essen bis zu 280 Menschen aus der Ukraine untergekommen. Allein mit staatlichen Mitteln wäre dieses nie zu bewältigen gewesen. Eigentümer hätten unkompliziert Wohnraum zur Verfügung gestellt. In großer Zahl hätten Bad Essener Mitbürgerinnen und Mitbürger, die selber Wurzeln im Osten Europas hätten, Menschen bei sich aufgenommen. Ihnen allen gebühre ein großer Dank für dieses Engagement.

 

Neben diesen unmittelbaren Folgen habe der Ukraine-Krieg schonungslos offengelegt, dass wir über keine nachhaltige Energieversorgung verfügen. Allen Einsparungsbemühungen und möglichen Effizienzgewinnen zum Trotz bestehe in einem Industrieland wie Deutschland ein großer Energiebedarf. Und diesen nachhaltig, vor allem CO2-günstig und mittelfristig -neutral, zu decken, dafür fehlten aktuell noch die Voraussetzungen. So werde sich die Fläche, die für Windenergieerzeugung zur Verfügung gestellt werden müsse, etwa verdreifachen müssen, auch in der Gemeinde Bad Essen. Andere umweltpolitische Ziele wie etwa der Artenschutz würden demgegenüber zurückstehen müssen. Im Artikel 1 des Gesetzes zu „Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“, welches im Rahmen des sogenannten „Osterpakets“ beschlossen worden sei, heiße es: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“ Die Gemeinden seien insbesondere zum Thema Windenergie im Austausch mit dem Landkreis Osnabrück, der gegenwärtig eine Überarbeitung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) vornehme, in dem eben das Thema Windenergie eine wichtige Rolle spielen werde. Mit einer ersten Offenlegung des RROP-Entwurfs werde innerhalb des I. Quartals 2023 gerechnet.

 

Auch neue Stromtrassen, welche die Offshore-Windenergie von der Nordsee nach Süddeutschland transportieren sollen, würden unsere Region berühren. Als eine dieser Maßnahmen solle durch den Übertragungsnetzbetreiber Amprion bis 2028 eine 380-kV-Leitung von Wehrendorf nach Osnabrück-Lüstringen gebaut werden. Das Planfeststellungsverfahren für den nördlichen Abschnitt stehe nunmehr unmittelbar bevor, wie heute auch der Presse zu entnehmen sei. Die Trasse verlasse das Bad Essener Gemeindegebiet bereits rund 500 Meter südlich des Umspannwerks und werde daher weiter von der Wohnbebauung auf der Wehrendorfer Masch und an der Osnabrücker Straße entfernt verlaufen als die jetzige 220-kv-Bestandstrasse.

 

Soweit es nicht schon vorher klar gewesen sei, sei es also in diesem Jahr unübersehbar geworden, dass die Fragen der Energieerzeugung und der Energieinfrastruktur auch für die Kommunalpolitik in der Zukunft ganz zentrale Themen sein würden. Der Bedarf an Energie sei groß, insbesondere an elektrischer Energie, wenn man bedenke, dass auch unsere Mobilität künftig in starkem Maße hierauf basieren solle.

 

Der Gemeinderat Bad Essen habe vor einem halben Jahr ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Auf dieser Grundlage sei unmittelbar danach die Förderung eines Klimaschutzmanagers mit Bundesfördermitteln beantragt worden. Auf eine Bewilligung, ohne die die Stelle nicht ausgeschrieben werden könne, würde die Verwaltung bisher vergeblich warten. Der Stau durch die Vielzahl von Anträgen bringe viele Kommunen in die gleiche Lage. Unabhängig von der geförderten neuen Stelle habe die Gemeinde in diesem Jahr bereits verschiedene Dinge auf den Weg gebracht, die dem Ziel des Klimaschutzes dienen.  Zu nennen sei z.B. das Mobilitätskonzept für den Ortskern. An der Bürgerbeteiligung zum Mobilitätskonzept hätten außerordentlich viele Bürgerinnen und Bürger teilgenommen. Es habe fast 300 Anregungen und viele weitere Kommentare und Bewertungen gegeben. Das beauftragte Unternehmen sei derzeit noch in der Auswertung. Das Ergebnis und die daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen sollten im I. Quartal 2023 öffentlich vorgestellt werden.

 

Es sei gut, dass dieses Thema angegangen werde, denn es gehe dabei neben Umwelt- und Sicherheitsaspekten auch um die Attraktivität des Ortskerns, der für uns ein hohes Gut darstelle. Der Ortskern sei attraktiv, aber dadurch, dass er eben viel Publikum anziehe, müsse auch immer wieder überlegt werden, wie man Dinge besser steuern und organisieren könne. Mit der Mobilität hätten sich die kreisangehörigen Gemeinden gemeinsam mit dem Landkreis Osnabrück auch 2022 intensiv beschäftigt. Im Rahmen des sogenannten Mobilitätsdialogs habe es ebenfalls eine umfangreiche Bürgerbeteiligung gegeben, wobei vor allem Themen des ÖPNV und der Radwegeinfrastruktur im Zentrum gestanden hätten.

 

Der Prozess gehe weiter und habe das Ziel, Alternativen zum Individualverkehr anzubieten, welche auch angenommen würden – immer in dem Wissen, dass es ohne den motorisierten Individualverkehr im ländlichen Raum absehbar nicht gehen werde. Ein erstes Ergebnis könne jetzt für Bad Essen in der testweisen Einführung eines Schnellbusses nach Osnabrück bestehen. Dieser sei ein Bestandteil des Förderantrags mit dem Namen MOIN+ des Landkreises beim Bund. Im Falle der Bewilligung würde dieser Bus ab Anfang 2024 für zunächst zwei Jahre zusätzlich zur Linie 276 eingesetzt werden und zwar von Montag bis Sonntag von 5 bis 24 Uhr. Da er wie die Linie 276 im Stundentakt fahre, jedoch zwischen den Fahrten der Linie 276, entstehe in den Hauptzeiten effektiv ein 30-Minuten-Takt von Bad Essen nach Osnabrück, was sicherlich eine deutliche Attraktivierung des ÖPNV darstellen würde, wodurch wiederum Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt werden könnten. Ebenso könnten dadurch die Potenziale für eine Nutzung der Schiene noch mal deutlicher werden. Der Bürgermeister hoffe sehr, dass der Förderantrag des Landkreises Osnabrück beim Bund Erfolg haben werde.

 

Einen wegweisenden Beschluss hätte der Rat in diesem Jahr auch im Bereich der Kinderbetreuung gefasst. Die Gemeinde baue eine neue sechsgruppige Kindertagesstätte am Kuhweg in Eielstädt und habe dafür ein Grundstück angekauft. Die Baumaßnahmen würden voraussichtlich im Frühjahr 2023 beginnen mit dem Ziel, die Einrichtung im August 2024 in Betrieb zu nehmen. Diese Kita werde nicht nur die größte sein, sondern auch im Bau ökologische Maßstäbe setzen. Zudem sei sie sehr zentral im verdichteten Kern der Gemeinde Bad Essen gelegen. Er freue sich sehr, dass dies mit vereinten Kräften und in großer Einmütigkeit gelungen sei und danke allen, die dazu beigetragen hätten.

 

Weitere notwendige große Investitionsvorhaben stünden bekanntlich an, die auch die Gemeindefinanzen belasten würden. In einer Zeit, die aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und steigender Preise ohnehin nicht ganz einfach werden dürfte. Es gehe zum einen darum, das Rathaus mehr als 40 Jahre nach der letzten grundlegenden Umgestaltung zukunftsfest aufzustellen. Auch hierzu habe der Rat in seiner Oktobersitzung einen wegweisenden Beschluss gefasst. Im kommenden Jahr sollten die Planungen vorangetrieben werden und aus seiner Sicht dann möglichst 2024 der Baubeginn erfolgen. Parallel würden die Gemeinde weitere Bauvorhaben beschäftigen, nicht zuletzt im Bereich Schulen und Feuerwehren.

 

Im Jahr 2022 habe die Gemeinde Bad Essen auch auf 50 Jahre Verwaltungs- und Gebietsreform zurückgeblickt. Die Gemeinde bestehe mit ihren 17 Ortschaften seit 1972. Auch in der damaligen Zeit habe es sicherlich viele Herausforderungen gegeben, aber die Zeit sei vielleicht noch mehr geprägt gewesen von der Dankbarkeit darüber, dass man, gerade einmal 27 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, aus den Trümmern von Diktatur und Gewalt etwas Neues geschaffen und wiederaufgebaut habe. Nun habe es gegolten, das Erreichte zu sichern und zu modernisieren. Dies sei, so der Bürgermeister, aus seiner Sicht unter dem Strich gut gelungen.

 

 

Welche Herausforderungen uns heute beschäftigen würden, davon hätten sich die Zeitgenossen damals kaum eine Vorstellung mache können, so wenig, wie wir heute wüssten, was 2072 die Themen in der Gemeinde Bad Essen sein würden. Dr. Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, habe in seiner Festrede bei der Festveranstaltung zu „50 Jahre Verwaltungs- und Gebietsreform im Wittlager Land“ am 2. Juli 2022 in Ostercappeln-Schwagstorf darauf hingewiesen, dass die Demokratie die Mitwirkung der Mehrheit der Leute brauche. Und sie brauche daher Strukturen, die das Mitmachen fördern würden. In diesem Sinne zähle er darauf, dass es gelingen möge, gemeinsam die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen. Gemeinsam als gewählte Vertreter im Rat und in den Institutionen, aber eben auch bewusst immer im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ehrenamt und konstruktive bürgerschaftliche Beteiligung seien heute wichtiger denn je, da wir es fast überall mit Problemen wie Fachkräftemangel zu tun hätten, aber auch mit Phänomenen wie der Abwendung Einzelner von der Demokratie, die beunruhigend und gefährlich seien. Eine Stärke der Gemeinde Bad Essen sei es in den vergangenen 50 Jahren gewesen, immer wieder gemeinsam die Dinge zu entwickeln. Und diese Stärke werde auch bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen helfen.