Sitzung: 15.12.2022 Rat der Gemeinde Bad Essen
Ratsfrau Eichwald betritt um 17.15 Uhr den Sitzungsraum. Es sind nun 27 Ratsmitglieder anwesend.
Bürgermeister Natemeyer erstattet den Verwaltungsbericht:
Ein
außergewöhnliches Jahr 2022 gehe zu Ende und es wäre kaum überzeugend, es als
„gutes Jahr“ zu bezeichnen. Es habe der Welt im Globalen wie auch der
kommunalen Welt im Kleinen erneut große Herausforderungen gebracht, die
wahrscheinlich die Corona-Pandemie noch in den Schatten stellen würden. Zum
Teil habe es auch bestehende Herausforderungen einfach nur verschärft bzw. sie
wie unter einem Brennglas vergrößert.
Er wolle heute die
Gelegenheit nutzen um zurückzublicken und das Jahr 2022 aus Sicht der Gemeinde
Bad Essen einzuordnen mit all den Herausforderungen, aber auch in Würdigung
dessen, was geschafft worden sei.
Zu Beginn des
Jahres sei zunächst noch die Corona-Pandemie das beherrschende Thema gewesen.
Im ersten Quartal 2022 seien die bisher höchsten Infektionszahlen im gesamten
Verlauf der Pandemie erreicht worden und als Folge hätte beispielsweise der
Gemeinderat zum zweiten Mal in Folge auf die gewohnte zweitägige
Haushaltsklausurtagung verzichten müssen. Die Lage habe sich dann ab dem 24.
Februar dramatisch verändert. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die
Ukraine und Luftangriffen auf die ukrainischen Städte und auf die Infrastruktur
des Landes habe das Regime von Präsident Putin die Welt in Unordnung gebracht.
Regierungen und die Bevölkerung in den europäischen Staaten hätten eine große
Welle der Hilfsbereitschaft, von der Unterstützung der ukrainischen
Streitkräfte mit Waffen und Kampfsystemen, über die Spendenbereitschaft und
humanitäre Hilfe bis hin nicht zuletzt zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen habe
die Bandbreite der Hilfen gereicht. Innerhalb weniger Wochen seien auch in der
Gemeinde Bad Essen bis zu 280 Menschen aus der Ukraine untergekommen. Allein
mit staatlichen Mitteln wäre dieses nie zu bewältigen gewesen. Eigentümer
hätten unkompliziert Wohnraum zur Verfügung gestellt. In großer Zahl hätten Bad
Essener Mitbürgerinnen und Mitbürger, die selber Wurzeln im Osten Europas
hätten, Menschen bei sich aufgenommen. Ihnen allen gebühre ein großer Dank für
dieses Engagement.
Neben diesen
unmittelbaren Folgen habe der Ukraine-Krieg schonungslos offengelegt, dass wir
über keine nachhaltige Energieversorgung verfügen. Allen Einsparungsbemühungen
und möglichen Effizienzgewinnen zum Trotz bestehe in einem Industrieland wie
Deutschland ein großer Energiebedarf. Und diesen nachhaltig, vor allem
CO2-günstig und mittelfristig -neutral, zu decken, dafür fehlten aktuell noch
die Voraussetzungen. So werde sich die Fläche, die für Windenergieerzeugung zur
Verfügung gestellt werden müsse, etwa verdreifachen müssen, auch in der
Gemeinde Bad Essen. Andere umweltpolitische Ziele wie etwa der Artenschutz würden
demgegenüber zurückstehen müssen. Im Artikel 1 des Gesetzes zu „Sofortmaßnahmen
für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren
Maßnahmen im Stromsektor“, welches im Rahmen des sogenannten „Osterpakets“
beschlossen worden sei, heiße es: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen
sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen
Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im
Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien
als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen
eingebracht werden.“ Die Gemeinden seien insbesondere zum Thema Windenergie im
Austausch mit dem Landkreis Osnabrück, der gegenwärtig eine Überarbeitung des
Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) vornehme, in dem eben das Thema
Windenergie eine wichtige Rolle spielen werde. Mit einer ersten Offenlegung des
RROP-Entwurfs werde innerhalb des I. Quartals 2023 gerechnet.
Auch neue
Stromtrassen, welche die Offshore-Windenergie von der Nordsee nach
Süddeutschland transportieren sollen, würden unsere Region berühren. Als eine
dieser Maßnahmen solle durch den Übertragungsnetzbetreiber Amprion bis 2028
eine 380-kV-Leitung von Wehrendorf nach Osnabrück-Lüstringen gebaut werden. Das
Planfeststellungsverfahren für den nördlichen Abschnitt stehe nunmehr
unmittelbar bevor, wie heute auch der Presse zu entnehmen sei. Die Trasse
verlasse das Bad Essener Gemeindegebiet bereits rund 500 Meter südlich des
Umspannwerks und werde daher weiter von der Wohnbebauung auf der Wehrendorfer
Masch und an der Osnabrücker Straße entfernt verlaufen als die jetzige
220-kv-Bestandstrasse.
Soweit es nicht
schon vorher klar gewesen sei, sei es also in diesem Jahr unübersehbar
geworden, dass die Fragen der Energieerzeugung und der Energieinfrastruktur
auch für die Kommunalpolitik in der Zukunft ganz zentrale Themen sein würden.
Der Bedarf an Energie sei groß, insbesondere an elektrischer Energie, wenn man
bedenke, dass auch unsere Mobilität künftig in starkem Maße hierauf basieren
solle.
Der Gemeinderat Bad
Essen habe vor einem halben Jahr ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Auf dieser
Grundlage sei unmittelbar danach die Förderung eines Klimaschutzmanagers mit
Bundesfördermitteln beantragt worden. Auf eine Bewilligung, ohne die die Stelle
nicht ausgeschrieben werden könne, würde die Verwaltung bisher vergeblich
warten. Der Stau durch die Vielzahl von Anträgen bringe viele Kommunen in die
gleiche Lage. Unabhängig von der geförderten neuen Stelle habe die Gemeinde in
diesem Jahr bereits verschiedene Dinge auf den Weg gebracht, die dem Ziel des
Klimaschutzes dienen. Zu nennen sei z.B.
das Mobilitätskonzept für den Ortskern. An der Bürgerbeteiligung zum Mobilitätskonzept
hätten außerordentlich viele Bürgerinnen und Bürger teilgenommen. Es habe fast
300 Anregungen und viele weitere Kommentare und Bewertungen gegeben. Das
beauftragte Unternehmen sei derzeit noch in der Auswertung. Das Ergebnis und
die daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen sollten im I. Quartal 2023
öffentlich vorgestellt werden.
Es sei gut, dass
dieses Thema angegangen werde, denn es gehe dabei neben Umwelt- und
Sicherheitsaspekten auch um die Attraktivität des Ortskerns, der für uns ein
hohes Gut darstelle. Der Ortskern sei attraktiv, aber dadurch, dass er eben
viel Publikum anziehe, müsse auch immer wieder überlegt werden, wie man Dinge
besser steuern und organisieren könne. Mit der Mobilität hätten sich die
kreisangehörigen Gemeinden gemeinsam mit dem Landkreis Osnabrück auch 2022
intensiv beschäftigt. Im Rahmen des sogenannten Mobilitätsdialogs habe es
ebenfalls eine umfangreiche Bürgerbeteiligung gegeben, wobei vor allem Themen
des ÖPNV und der Radwegeinfrastruktur im Zentrum gestanden hätten.
Der Prozess gehe
weiter und habe das Ziel, Alternativen zum Individualverkehr anzubieten, welche
auch angenommen würden – immer in dem Wissen, dass es ohne den motorisierten
Individualverkehr im ländlichen Raum absehbar nicht gehen werde. Ein erstes
Ergebnis könne jetzt für Bad Essen in der testweisen Einführung eines
Schnellbusses nach Osnabrück bestehen. Dieser sei ein Bestandteil des
Förderantrags mit dem Namen MOIN+ des Landkreises beim Bund. Im Falle der
Bewilligung würde dieser Bus ab Anfang 2024 für zunächst zwei Jahre zusätzlich
zur Linie 276 eingesetzt werden und zwar von Montag bis Sonntag von 5 bis 24
Uhr. Da er wie die Linie 276 im Stundentakt fahre, jedoch zwischen den Fahrten
der Linie 276, entstehe in den Hauptzeiten effektiv ein 30-Minuten-Takt von Bad
Essen nach Osnabrück, was sicherlich eine deutliche Attraktivierung des ÖPNV
darstellen würde, wodurch wiederum Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt
werden könnten. Ebenso könnten dadurch die Potenziale für eine Nutzung der
Schiene noch mal deutlicher werden. Der Bürgermeister hoffe sehr, dass der
Förderantrag des Landkreises Osnabrück beim Bund Erfolg haben werde.
Einen wegweisenden
Beschluss hätte der Rat in diesem Jahr auch im Bereich der Kinderbetreuung
gefasst. Die Gemeinde baue eine neue sechsgruppige Kindertagesstätte am Kuhweg
in Eielstädt und habe dafür ein Grundstück angekauft. Die Baumaßnahmen würden
voraussichtlich im Frühjahr 2023 beginnen mit dem Ziel, die Einrichtung im
August 2024 in Betrieb zu nehmen. Diese Kita werde nicht nur die größte sein,
sondern auch im Bau ökologische Maßstäbe setzen. Zudem sei sie sehr zentral im
verdichteten Kern der Gemeinde Bad Essen gelegen. Er freue sich sehr, dass dies
mit vereinten Kräften und in großer Einmütigkeit gelungen sei und danke allen,
die dazu beigetragen hätten.
Weitere notwendige
große Investitionsvorhaben stünden bekanntlich an, die auch die
Gemeindefinanzen belasten würden. In einer Zeit, die aufgrund wirtschaftlicher
Schwierigkeiten und steigender Preise ohnehin nicht ganz einfach werden dürfte.
Es gehe zum einen darum, das Rathaus mehr als 40 Jahre nach der letzten
grundlegenden Umgestaltung zukunftsfest aufzustellen. Auch hierzu habe der Rat
in seiner Oktobersitzung einen wegweisenden Beschluss gefasst. Im kommenden
Jahr sollten die Planungen vorangetrieben werden und aus seiner Sicht dann
möglichst 2024 der Baubeginn erfolgen. Parallel würden die Gemeinde weitere
Bauvorhaben beschäftigen, nicht zuletzt im Bereich Schulen und Feuerwehren.
Im Jahr 2022 habe
die Gemeinde Bad Essen auch auf 50 Jahre Verwaltungs- und Gebietsreform
zurückgeblickt. Die Gemeinde bestehe mit ihren 17 Ortschaften seit 1972. Auch
in der damaligen Zeit habe es sicherlich viele Herausforderungen gegeben, aber
die Zeit sei vielleicht noch mehr geprägt gewesen von der Dankbarkeit darüber,
dass man, gerade einmal 27 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, aus den
Trümmern von Diktatur und Gewalt etwas Neues geschaffen und wiederaufgebaut
habe. Nun habe es gegolten, das Erreichte zu sichern und zu modernisieren. Dies
sei, so der Bürgermeister, aus seiner Sicht unter dem Strich gut gelungen.
Welche
Herausforderungen uns heute beschäftigen würden, davon hätten sich die
Zeitgenossen damals kaum eine Vorstellung mache können, so wenig, wie wir heute
wüssten, was 2072 die Themen in der Gemeinde Bad Essen sein würden. Dr. Henning
Scherf, ehemaliger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, habe in seiner
Festrede bei der Festveranstaltung zu „50 Jahre Verwaltungs- und Gebietsreform
im Wittlager Land“ am 2. Juli 2022 in Ostercappeln-Schwagstorf darauf
hingewiesen, dass die Demokratie die Mitwirkung der Mehrheit der Leute brauche.
Und sie brauche daher Strukturen, die das Mitmachen fördern würden. In diesem
Sinne zähle er darauf, dass es gelingen möge, gemeinsam die vor uns liegenden
Aufgaben zu bewältigen. Gemeinsam als gewählte Vertreter im Rat und in den
Institutionen, aber eben auch bewusst immer im Dialog mit den Bürgerinnen und
Bürgern. Ehrenamt und konstruktive bürgerschaftliche Beteiligung seien heute
wichtiger denn je, da wir es fast überall mit Problemen wie Fachkräftemangel zu
tun hätten, aber auch mit Phänomenen wie der Abwendung Einzelner von der
Demokratie, die beunruhigend und gefährlich seien. Eine Stärke der Gemeinde Bad
Essen sei es in den vergangenen 50 Jahren gewesen, immer wieder gemeinsam die
Dinge zu entwickeln. Und diese Stärke werde auch bei der Bewältigung der neuen
Herausforderungen helfen.