Zum 01.01.2021 hat
die Gemeinde Bad Essen die Straßenreinigungsgebühren auf die Berechnung nach
dem sog. Grundflächenmaßstab geändert. Gegen die anschließende Gebührenerhebung
hat ein Grundstückseigentümer Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück eingelegt.
Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstückes, dass von
zwei Straßen erschlossen wird, die beide der Gebührenpflicht unterliegen. Nach
dem bis 2020 geltenden Frontmetermaßstab war das Grundstück mit einer Gebühr
von 76,80 € zur Straßenreinigung veranlagt worden. Nach dem Grundflächenmaßstab
erhöhte sich die Gebühr auf 359,48 €. Verwaltungsseitig wurde das Grundstück
dabei sowohl bei der Erhebung nach dem Frontmetermaßstab als auch nach dem
Grundflächenmaßstab versehentlich nur für eine zu reinigende Straße veranlagt.
Bei einer ordnungsgemäßen Veranlagung hätte die Straßenreinigungsgebühr ab dem
Jahr 2021 demnach 718,96 € betragen.
Der Kläger hat
insbesondere gerügt, dass das Fehlen einer sog. Kappungsgrenze für besonders
große Grundstücke in der Satzung einen schwerwiegenden Fehler bedeute. Zudem
dürfe sich die Höhe der Straßenreinigung nur auf den Teil seines Grundstückes
beziehen, der als Gebäudefläche genutzt werde. Mithin dürfte für die
landwirtschaftliche Fläche keine Straßenreinigungsgebühr erhoben werden.
Die Gemeinde hat
beantragt, die Klage abzuweisen. Insbesondere sei durch Gesetz und
Rechtsprechung eindeutig geregelt, dass es bei der Bemessung der
Straßenreinigungsgebühr nicht auf die Art der Nutzung eines Grundstückes
ankomme. Darüber hinaus sei eine Kappungsgrenze für besonders große Grundstücke
im Kommunalabgabengesetz nicht verbindlich vorgeschrieben. Auch die
Mustersatzung des Nds. Städtetages, die in Zusammenarbeit mit dem zuständigen
Ministerium erarbeitet wurde und somit den Willen des Gesetzgebers
berücksichtigt, sehe keine Pflicht zur Einführung einer Kappungsgrenze vor.
Dies sei auch durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und
Oberverwaltungsgerichte im gesamten Bundesgebiet gedeckt.
Das Verwaltungsgericht
Osnabrück hat der Klage mit Urteil vom 28.09.2022 stattgegeben und die
Straßenreinigungsgebührensatzung der Gemeinde Bad Essen vom 10.12.2020 für
unwirksam erklärt. Das Gericht legt auf 48 Seiten dar, dass nach seiner
Rechtsauffassung bei Anwendung des Grundflächenmaßstabes eine besondere
Regelung für im Gemeindegebiet vorhandene große landwirtschaftlich genutzte
Grundstücke mit Mehrfacherschließung vorhanden sein müsste. Grundlage für diese
Entscheidung ist die Auswahl des Gebührenmaßstabes zur Ermittlung der
Straßenreinigungsgebühren. Die Gemeinde muss nicht die tatsächliche
Verschmutzung ermitteln, die von jedem an der Straße anliegenden Grundstück
ausgeht, um daraufhin den konkreten Aufwand für die Reinigung der Straße für
jeden Anlieger festzulegen und abzurechnen. Aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität kann vielmehr auf sog. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe
zurückgegriffen werden, durch die verschiedene Einzelfallkonstellationen zu
typisierten Gruppen zusammengefasst werden. Der gewählte Maßstab muss dabei
aber eine ausreichende Beziehung (Äquivalenz) zwischen dem aus der
Straßenreinigung erzielten Vorteil für die Anlieger und den dafür erhobenen
Gebühren abbilden müssen. Diesen Anforderungen wird der von der Gemeinde Bad
Essen gewählte Grundflächenmaßstab grundsätzlich gerecht. Als problematisch
erachtet das Gericht aber die Anwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes,
wenn dieser zu einer Gebühr führt, die nicht mehr als Bagatellbelastung
angesehen werden kann. Dies ist nach Ansicht des Gerichts ab einer Gebührenhöhe
von 500 Euro jährlich der Fall.
Damit der gewählte
Grundflächenmaßstab als vorteilsgerecht für die Anlieger angesehen werden kann,
hält das Gericht drei Handlungsoptionen für denkbar. So könnte die Gemeinde die
Belastung für besonders große, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit
Mehrfacherschließung durch Einführung einer generellen Vergünstigungsvorschrift
unter die Bagatellgrenze absenken. Alternativ könnte sie den Gebührenmaßstab
verfeinern, indem sie z.B. die tatsächliche Verschmutzungsverursachung und die
dadurch entstehende höhere Belastung für die Straßenreinigung zwischen
landwirtschaftlich genutzten und Wohngrundstücken ermittelt und ins Verhältnis
zueinander setzt, um die so gewonnene Relation anschließend bei der Gebührenermittlung
berücksichtigen zu können. Eine weitere Möglichkeit, die aber vom Gericht
bereits als untypisch für das Kommunalabgabenrecht bezeichnet wird, wäre die
Aufnahme einer Härtefallregelung in die Straßenreinigungsgebührensatzung.
Aus Sicht der
Verwaltung bietet sich danach die Einführung einer Kappungsgrenze an, die für
große, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit Mehrfacherschließung eine
Begrenzung der Gebührenpflicht auf einen Höchstbetrag von 500 Euro jährlich
beinhaltet.
In § 3 Abs. 2 der
Straßenreinigungsgebührensatzung vom 10.12.2020 wird deshalb folgender Satz 2
neu eingefügt:
„Für große landwirtschaftlich genutzte
Grundstücke, die an mehreren Straßen anliegen, wird die Straßenreinigungsgebühr
auf einen Höchstbetrag jährlich von 500 Euro begrenzt.“
Gleichzeitig wird
vorgeschlagen, die Anlage zur Straßenreinigungssatzung der Gemeinde Bad Essen
vom 18.12.1975, zuletzt geändert durch Satzung vom 24.03.2022, zu ändern. In
der Anlage werden die zu reinigenden Straßen festgelegt. Mit der Änderung soll einer der beiden
Straßenabschnitte, für die das durch das Urteil des Verwaltungsgerichts
Osnabrück vom 28.09.2022 betroffenen Grundstück zur Straßenreinigungsgebühr
herangezogen wird, aus der maschinellen Straßenreinigung herausgenommen werden.
Eine Herausnahme des Straßenabschnittes wäre problemlos möglich, da es sich
dabei um das Endstück einer veranlagten Straße handelt.
Anlagen:
1. Entwurf der 24. Änderungssatzung zur Straßenreinigungssatzung vom 18.12.1975
2. Entwurf der 1. Änderungssatzung zur Straßenreinigungsgebührensatzung vom 10.12.2022
Beschlussvorschlag:
Der Rat beschließt
1. Die 24. Änderungssatzung zur Straßenreinigungssatzung vom 18.12.1975 in der anliegenden / geänderten Fassung.
2. Die 1. Änderungssatzung zur Straßenreinigungsgebührensatzung vom 10.12.2020 in der anliegenden / geänderten Fassung.