Rechtliche Ausgangslage
Nach §
52 Nds. Straßengesetz (NStrG) obliegt der Gemeinde die Reinigung der Straßen
innerhalb der geschlossenen Ortslagen einschließlich der Ortsdurchfahrten von
Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Art, Umfang und räumliche Ausdehnung der
Straßenreinigung sind von der Gemeinde durch eine Verordnung nach dem Nds.
Gefahrenabwehrrecht zu regeln. Die Reinigungspflicht umfasst dabei auch die
Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen, die Beseitigung von Eisglätte
auf Gehwegen sowie die Bereitstellung und Leerung von Abfallbehältern.
Die
Gemeinde kann ihre Reinigungspflicht ganz oder teilweise durch Satzung den
Eigentümern der anliegenden Grundstücke auferlegen. Sofern die Gemeinde die
Straßenreinigung selber durchführt, gelten die Eigentümer der Grundstücke, die
an die der Reinigung unterliegenden Straßen anliegen, als Benutzer einer
öffentlichen Einrichtung und können zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen
werden. Die Gemeinde kann dabei auch die Eigentümer sog.
Hinterliegergrundstücke in die Gebührenpflicht einbeziehen.
Die
Gemeinde Bad Essen hat diese rechtlichen Vorgaben durch folgende Rechtsnormen
umgesetzt:
- Verordnung
über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im
Gebiet der Gemeinde Bad Essen
- Straßenreinigungssatzung
- Straßenreinigungsgebührensatzung
Die
SOG-Verordnung regelt Art und Umfang der Straßenreinigung und verweist dabei
insbesondere auf die detaillierteren Regelungen der Straßenreinigungssatzung.
Zudem wird die Räum- und Streupflicht der Grundstücks- und Wohnungseigentümer
für Gehwege und Gossen geregelt.
In der
Straßenreinigungssatzung hat die Gemeinde festgelegt, für welche Straßen sie
die Straßenreinigung als öffentliche Einrichtung betreibt. Die Eigentümer der
an diese Straßen angrenzenden oder durch sie erschlossenen Grundstücke haben
für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung eine Gebühr zu zahlen. Für alle
anderen Straßen wird die Pflicht zur Straßenreinigung auf die Anlieger
übertragen. Die Reinigung der Geh- und Radwege sowie die Beseitigung von Schnee
und Eis auf den Geh- und Radwegen und in den Gossen wird für alle Straßen im
Gemeindegebiet den Anliegern auferlegt.
Die
Straßenreinigungsgebührensatzung schließlich regelt, wer in welchem Umfang
gebührenpflichtig ist. Die Gebührenpflicht wird dabei auch auf die Eigentümer
der durch die jeweilige Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger)
ausgeweitet. Mit den Straßenreinigungsgebühren sollen die Aufwendungen für die
Straßenreinigung gedeckt werden. Die Gemeinde trägt dabei einen Anteil von 25%
der gesamten Aufwendungen und deckt damit den sog. öffentlichen Anteil an den
Aufwendungen ab (Park- und Grünanlagen, Verkehrsinseln, Kreuzungsbereiche,
Durchgangsverkehr etc.). Als Maßstab für die Ermittlung der Gebührenhöhe dient
dabei die an die zu reinigende Straße anliegende Straßenfrontlänge in Metern.
Für die Hinterliegergrundstücke ist die der zu reinigenden Straße zugewandte
Grundstücksbreite maßgeblich.
Der Gebührenmaßstab
Die
Straßenreinigungsgebühr ist nicht das Entgelt für die Durchführung der Reinigung
einer bestimmten Straßenstrecke vor dem Grundstück, sondern sie dient vielmehr
dem Ausgleich des besonderen Vorteils, der dem Straßenanlieger dadurch
erwächst, dass die an seinem Grundstück entlangführende Straße in der gesamten
Länge durch die Gemeinde in einem sauberen und sicher benutzbaren Zustand
gehalten wird. Die Ermittlung des „besonderen Vorteils“ kann dabei durch einen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfolgen, der nach der Rechtsprechung einen Bezug
zum Grundstück haben muss. Als zulässige grundstücksbezogene Maßstäbe sind der
Frontmetermaßstab, der Grundflächenmaßstab und der Quadratwurzelmaßstab
anerkannt.
Beim
Frontmetermaßstab werden die Aufwendungen aus der Straßenreinigung anhand der
Länge der Grundstücksseite verteilt, die der zu reinigenden Straße zugewandt
ist. Dieser Maßstab ist rechtlich noch immer anerkannt, ihm wurden durch die
Rechtsprechung aber weitreichende Anforderungen auferlegt. In der Praxis
bestehen Schwierigkeiten, im Einzelfall festzustellen, welche Grundstücksseite
als „der Straße zugewandt“ gilt. Zudem muss die tatsächliche Länge der
betreffenden Grundstücksseite manuell ermittelt werden. Die so gewonnene
Bemessungsgrundlage für die Gebührenveranlagung ist den jeweiligen
Grundstückseigentümern oftmals nur schwer zu vermitteln, insbesondere dann,
wenn es sich um Hinterliegergrundstücke oder Grundstücke im Bereich eines
Wendehammers handelt. So haben beim Frontmetermaßstab die zufällige Lage und
der Zuschnitt eines Grundstückes konkreten Einfluss auf die Gebührenhöhe.
Aufgrund
dieser Problem vollziehen immer mehr Kommunen einen Maßstabswechsel, hin zum
Grundflächen- oder zum Quadratwurzelmaßstab. Grundlage für beide Maßstäbe ist
die Fläche des zu veranlagenden Grundstückes (Grundflächenmaßstab) bzw. die
Quadratwurzel aus der Grundstücksfläche. Dabei führt der Quadratwurzelmaßstab
zu einer Entlastung sehr großer Grundstücke, gleichzeitig aber auch zu einer
Belastung kleinerer Grundstücke. Die Größe der Grundstücke als
Bemessungsgrundlage für den Gebührenmaßstab ist dabei eine feststehende Größe,
die auch von den Grundstückseigentümern leicht und einwandfrei nachvollzogen
werden kann (Grundbuchauszug, Kaufvertrag). Auch der Zuschnitt der Grundstücke
und deren zufällige Lage im Verhältnis zur Straße spielen bei den Flächenmaßstäben
keine Rolle mehr.
Die Hinterliegergrundstücke
Grundstücke,
die nicht an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete, befahrbare und der
Straßenreinigungspflicht der Gemeinde unterliegende Straße angrenzen sind sog.
Hinterliegergrundstücke. Es handelt sich demnach um Grundstücke, die nur über
erschließungsrechtlich unselbständige Privatwege oder mittels Geh- und
Fahrrechten über vorderliegende Privatgrundstücke zugänglich sind, die an nicht
befahrbaren öffentlichen Wohnwegen liegen oder die an bis zu ca. 50 m lange und
wegen der Widmung als „befahrbare Gehwege mit Zufahrt für Anlieger“ nicht
uneingeschränkt befahrbare öffentliche Stichwege grenzen (VG Stade vom
23.03.2010 – 4 A 1432/08). Auch für diese Grundstücke wird unterstellt, dass
sie einen besonderen Vorteil daraus beziehen, dass die Straße, über die sie
erschlossen werden, durch die Gemeinde gereinigt wird. Das NStrG sieht deshalb
vor, dass die Gemeinde die Eigentümer von Hinterliegergrundstücken den
Eigentümern gleichstellen kann, deren Grundstücke direkt an die zu reinigende
Straße angrenzt. Die Gemeinde Bad Essen hat von dieser Möglichkeit in der
Vergangenheit Gebrauch gemacht.
Mögliche Vergünstigungen
Die
Gemeinde hat bei der Ausgestaltung der Gebührenerhebung im Rahmen der
gesetzlichen Vorgaben einen weiten Spielraum und kann z.B. für einzelne
Tatbestände Ausnahmeregelungen treffen.
Eckgrundstücke/mehrfach
erschlossene Grundstücke
Gegenstand
der Straßenreinigungsgebühr ist das Grundstück, dass durch eine zu reinigende
Straße erschlossen wird. Wird ein Grundstück von zwei oder mehreren zu
reinigenden Straßen erschlossen, so muss grundsätzlich auch für jede dieser
Straßenzuordnungen eine Gebührenveranlagung erfolgen. Eine mögliche
Gebührenminderung für mehrmals erschlossene Grundstücke muss immer zu Lasten
der Gemeinde gehen. Die anderen Grundstücke dürfen durch eine solche Entlastung
nicht zusätzlich belastet werden. In der Praxis müsste die konkrete Veranlagung
des betreffenden Grundstückes dann mit der reduzierten Fläche erfolgen. Für die
Gebührenkalkulation müsste aber die nicht reduzierte Gesamtfläche zugrunde
gelegt werden, da ansonsten die gesamte Fläche aller erschlossenen Grundstücke
geringer und der ermittelte Gebührensatz dadurch höher wäre, was zu einer
Belastung der Gebührenzahler führen würde. Eine Verpflichtung zur Schaffung
solcher Rabatte gibt es für die Gemeinde nicht. Sie wird auch von der
Rechtsprechung nicht gefordert.
Größen-/Tiefenbegrenzung
Es
steht der Gemeinde ebenfalls frei, bei der Ermittlung der Grundstücksfläche
Kappungsgrenzen bzgl. der Flächengröße oder der Grundstückstiefe festzusetzen.
Dadurch würden besonders große Grundstücke entlastet. Auch hier gilt aber der
Grundsatz, dass eine Entlastung einzelner Gebührenpflichtiger nicht zu Lasten
der anderen Gebührenpflichtigen gehen darf. Die Vergünstigungen müssten auch in
diesem Fall zu Lasten der Gemeinde gehen.
Anteil der Allgemeinheit
Die
Straßenreinigungsgebühren sollen die Kosten der Straßenreinigung decken. Die
Kosten sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Dabei liegt
die Straßenreinigung nicht nur im Interesse der unmittelbaren Anlieger, sondern
dient auch dem Interesse der Allgemeinheit an sauberen Straßen. Die Höhe dieses
Anteils der Allgemeinheit legt das NStrG mit 25% fest. Er wird von der Kommune
getragen und nicht auf die Gebührenpflichtigen umgelegt.
Für welche Leistungen kann eine
Straßenreinigungsgebühr erhoben werden?
Die
Gemeinde Bad Essen führt die Straßenreinigung als öffentliche Einrichtung im
Sinne des kommunalen Abgabenrechts durch und kann dafür von den Benutzern
dieser öffentlichen Einrichtung Gebühren erheben. Bestandteil der
Straßenreinigung ist auch der Winterdienst. Ebenfalls zur Straßenreinigung
gehört die Bereitstellung und Leerung von Abfallbehältern entlang der
öffentlichen Straßen.
Straßenreinigung
Die
Gemeinde führt die Straßenreinigung auf den in der Anlage zur
Straßenreinigungssatzung aufgeführten Straßen durch. Sie bedient sich zur
Durchführung der Straßenreinigung eines privaten Unternehmens. Die Kosten der
Straßenreinigung hat die Gemeinde nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu
ermitteln. Zu den Kosten gehören demnach neben den Entgelten für die in Anspruch
genommenen Fremdleistungen anteilig auch die notwendigen Gemein- und
Overheadkosten für Kern- und Querschnittsämter der Verwaltung (Gemeindekasse,
Steueramt, Personalsachbearbeitung, EDV-Abteilung), sowie anteilige Kosten für
den Hauptverwaltungsbeamten und die Volksvertretung der Gemeinde. Bislang hat
die Gemeinde Bad Essen bei der Ermittlung der Gebührenhöhe lediglich die
direkten Kosten für das beauftragte Fremdunternehmen angesetzt.
Abfallbehälter
Die
Bereitstellung und Leerung von Abfallbehältern entlang der öffentlichen Straßen
ist Teil der Straßenreinigung. Die damit verbundenen Kosten können bei der
Ermittlung der Gebührenhöhe berücksichtigt werden. In der Gemeinde Bad Essen
erfolgt die Leerung der Abfallbehälter durch den gemeindeeigenen Bauhof. Die
Kosten für die Leerung könnten über eine entsprechende Zeitaufschreibung
ermittelt werden. Die Gemeinde führt die Straßenreinigung nur an einem Teil der
öffentlichen Straßen durch. Nur für diese Straßen dürfen die Anlieger zu
Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden. In der Praxis müsste bei der
Kostenermittlung für die Bereitstellung und Leerung der Abfallbehälter demnach
unterschieden werden zwischen solchen Straßen, für die die Straßenreinigung als
öffentliche Einrichtung betrieben wird und solchen Straßen, bei denen die
Pflicht zur Straßenreinigung auf die Anlieger übertragen wurde. Die Kosten für
den letzteren Fall dürfen bei der Ermittlung der Gebührensätze nicht in Ansatz
gebracht werden. In der Gemeinde Bad Essen wurden die Kosten für die Bereitstellung
und Leerung von Abfallbehältern an öffentlichen Straßen bei der Ermittlung der
Gebührensätze bislang nicht berücksichtigt.
Winterdienst
Der
Winterdienst auf den Fahrbahnen der öffentlichen Straßen in der Gemeinde Bad
Essen wird sowohl durch den gemeindeeigenen Bauhof als auch durch beauftragte
Dritte durchgeführt. Für die Geh- und Radwege und die Gossen ist der
Winterdienst auf die Anlieger der Straßen übertragen worden. Die Durchführung
des Winterdienstes erfolgt nach einer Prioritätenliste, wonach Gefällestrecken,
Schulwege, gefährliche Einmündungen etc. zuerst gereinigt werden. Die weiteren
Straßen werden entsprechend der zur Verfügung stehenden Kapazitäten von Schnee
und Eis befreit. Eine einheitliche Straßenreinigungsgebühr für Sommer- und Winterdienst
verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot, wenn nach den Einsatzplänen der
Gemeinde der Winterdienst planmäßig lediglich auf priorisierten Straßen
erfolgt, Nebenstraßen aber nur bei extremen und andauernden winterlichen
Wetterlagen in den Genuss des Winterdienstes kommen. Unterschiedlichen
Leistungen muss durch eine differenzierte Gebührenstruktur Rechnung getragen
werden. Eine einheitliche Gebühr für Sommer- und Winterreinigung dürfte nur
dann erhoben werden, wenn für alle Straßen ein einheitlicher Winterdienst
geplant und nach den vorhandenen Kapazitäten auch möglich ist. Sofern die
Kosten für den Winterdienst in der Gemeinde Bad Essen also durch eine
Gebührenerhebung auf die Anlieger der Straßen abgewälzt werden sollen, müssten
hierfür gesonderte, von der reinen Straßenreinigung getrennte Reinigungsklassen
eingeführt werden, die den tatsächlichen Umfang des Winterdienstes auf der
jeweiligen Straße widerspiegeln. Die Kosten für den Winterdienst betrugen im
Durchschnitt der letzten sechs Jahre in der Gemeinde Bad Essen rd. 25.700 €. Es
ist fraglich, ob dieser Betrag den Aufwand für die Ermittlung und Umsetzung
einer gesonderten Winterdienstgebühr rechtfertigt.
Fazit
Die
Gemeinde Bad Essen führt die Straßenreinigung für bestimmte öffentliche Straßen
innerhalb der geschlossenen Ortslagen einschließlich der Ortsdurchfahrten von
Bundes-, Landes- und Kreisstraßen auch weiterhin als öffentliche Einrichtung
durch. Um die damit verbundene Gebührenerhebung auch weiterhin rechtssicher
gestalten zu können, sollte vom bisher verwendeten Frontmetermaßstab auf den
Grundflächenmaßstab oder den Quadratwurzelmaßstab gewechselt werden.
Hinterliegergrundstücke sollten entsprechend der Anliegergrundstücke in die
Gebührenerhebung mit einbezogen werden. Gesonderte Ermäßigungen für
Eckgrundstücke, mehrfach erschlossene Grundstücke, besonders große Grundstücke
oder Grundstücke mit einem besonderen Zuschnitt sollten nicht gewährt werden.
Der Anteil der Allgemeinheit an den Straßenreinigungsgebühren wird mit 25%
festgesetzt. Auf eine Einbeziehung der Bereitstellung und Leerung von
Abfallbehältern sowie des Winterdienstes in die Gebührenerhebung wird auch
weiterhin verzichtet.
Der
Wechsel des Gebührenmaßstabes wäre mit umfangreichen Vorarbeiten verbunden, da
für jedes der rd. 2.100 betroffenen Grundstücke die entsprechenden
Flächengrößen ermittelt und in der Veranlagungssoftware hinterlegt werden
müssten. Diese Aufgabe könnte an einen externen Dienstleister vergeben werden.
Die Umsetzung durch die Verwaltung hätte demgegenüber aber den Vorteil, dass
mögliche Zweifelsfälle mit Klärungsbedarf sogleich auffallen, beraten und
gelöst werden könnten. Zudem könnten in dem Zuge auch bestehende und bislang
nicht entdeckte Fehler in der Datenhaltung korrigiert werden. Der mit der Umstellung
einhergehende zeitliche Aufwand ist nur schwer abzuschätzen, wird aber mehrere
Monate in Anspruch nehmen. Eine Umstellung des Gebührenmaßstabes wird deshalb
voraussichtlich erst zum 01.01.2021 vollzogen werden können. Um zeitnah mit den
notwendigen Arbeiten beginnen zu können, ist ein entsprechender Ratsbeschluss
mit Auftragserteilung an die Verwaltung notwendig.
Anlagen:
- SOG-Verordnung
- Straßenreinigungssatzung
- Anlage zur Straßenreinigungssatzung
- Straßenreinigungsgebührensatzung
Beschlussvorschlag:
Der Rat beauftragt die Verwaltung mit der Ausarbeitung einer Neufassung der Straßenreinigungsgebührensatzung für die Gemeinde Bad Essen. Die Neufassung soll insbesondere den Wechsel des Gebührenmaßstabes hin zum Grundflächen- bzw. Quadratwurzelmaßstab beinhalten. Die neugefasste Satzung soll zum 01.01.2021 in Kraft treten.